Dieter Müller-Bruns

Das sogenannte Wappenrecht

 

 

 

Die im Bereich der Historischen Hilfswissenschaften ehrenamtlich tätigen Juristen in den anerkannten heraldischen Vereinen haben immer darauf hingewiesen, dass es eine rechtliche Seite der Heraldik gibt. Der mahnende Hinweis der Juristen ist wohl notwendig, da besonders die andauernde Diskussion über die Führungsberechtigung eines Familienwappens oftmals chaotisch wirkt.

Für den verbreiteten Wunsch nach Orientierung im Bereich des sogenannten Wappenrechts ist vorrangig das Fehlen staatlicher Regelungen für den Bereich der bürgerlichen Heraldik ursächlich.

Eine ausführliche Darstellungen des sogenannten Wappenrechts findet sich seit vielen Jahren auf der Homepage des »Unabhängigen Arbeitskreises ehrenamtlicher Heraldiker«: http://www.wappenkunde-niedersachsen.de. Mehrere der dort genannten Heraldiker sind zugleich Mitglieder in der heraldischen Gesellschaft »Der Wappen-Löwe«, München.

Einige der dort sehr ausführlich erläuterten Hinweise zum sogenannten Wappenrecht sollen auch hier dargestellt werden:

 
 

Grundinformationen zum sogenannten Wappenrecht bei Familienwappen

 

  1. In der Bundesrepublik Deutschland ist jede rechtsfähige Person wappenfähig.
  2. Das "Recht an einem Familienwappen" (Führungsberechtigung und Recht zur Weitergabe an die Abkömmlinge) ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des Privatrechts, das auf Gewohnheitsrecht beruht.

    Es ist ein - neben dem rechtsähnlichen Namensrecht stehendes (= nicht im rechtsähnlichen Namensrecht enthaltenes) - Gewohnheitsrecht zur Kennzeichnung der eigenen Familie.
  3. Der Führungsberechtigte kann über die analoge Anwendung der Vorschrift zum Namensschutz (§ 12 BGB analog) einen Schutz seines bestehenden Familienwappens durchsetzen.
  4. Die Annahme eines Familienwappens durch den Wappenstifter für sich und seine Nachkommen ist eine einseitige und formlose Rechtshandlung, die jedoch einer hinreichenden Publizität bedarf, um wirksam zu werden und einen etwaigen Prioritätsanspruch rechtlich durchsetzen zu können. Es bedarf keiner behördlichen oder gerichtlichen Mitwirkung.

    Konkret: Durch den Wappenannehmenden ist eine klare, in Art und Weise selbstbestimmte Kundgabe des eigenen Willens zur Führung des Familienwappens erforderlich. Zur Begründung des „Rechts an einem Familienwappen"  (Führungsberechtigung / Recht zur Weitergabe) bedarf es daher grundsätzlich nicht der Eintragung in einer Familienwappenrolle. Auch setzt der rechtliche Schutz des bestehenden Wappens nicht seine Registrierung in einer Wappenrolle voraus.

    Gleichwohl ist der Sinn und Zweck einer Familienwappenrolle die Dokumentation von Familienwappen. Entscheidet sich der Wappenannehmende für die Eintragung in einer solchen Wappenrolle mit anschließender Publikation, so kommt sein Wille zur Führung des Familienwappens besonders klar zum Ausdruck. Zudem wird der Nachweis der längeren Wappenführung, der gegenüber Nichtberechtigten zu erbringen ist, durch die datenmäßig genau festgelegte Eintragung in einer Familienwappenrolle erheblich erleichtert. Die Bedeutung einer Wappenrolle liegt neben ihrem künstlerischen und kulturgeschichtlichen Wert damit vor allem auch auf rechtlichem Gebiet (so bereits der Jurist und Heraldiker Jürgen Arndt, 1949).

    Bei der Wappenregistrierung sind im Text der Führungsberechtigung immer zuerst der Wappenannehmende und der Zeitpunkt der Wappenannahme (oder bei altüberlieferten Wappen zumindest der älteste bekannte führungsberechtigte Vorfahre mit einem Nachweis über dessen Wappenführung) zu nennen. Nur so wird in dem Text der Führungsberechtigung allein deutlich, wann und mit welcher - genealogisch nachweisbaren - Person die Wappenführung der Familie beginnt.

    Wird der wappeneinreichende Antragsteller in den Publikationen einer Wappenrolle bei der  Führungsberechtigung nicht genannt, so ist auslegungsbedürftig, ob dieser wohlmöglich selber der Wappenstifter (Wappenannehmender) oder überhaupt führungsberechtigt ist. Solche auslegungsbedürften Texte der Führungsberechtigung sind wappenrechtlich jedoch nicht gewollt. - Vorsicht: Eine in solchen Fällen ebenfalls nicht auszuschließende Wappenschenkung durch den Antragsteller (Aufoktroyierung) stellt wappenrechtlich ein Nullum dar. Die rechtliche Bedeutung einer Wappenrolle liegt grundsätzlich in der Dokumentation der tatsächlich erfolgten Annahme und Führung des Wappens durch die berechtigte Familie.

    Der Text der Führungsberechtigung ist in den Publikationen einer Wappenrolle so genau abzufassen, dass es später keiner weiteren Auslegung bedarf. Dieser Text muss alleine alle wichtigen Informationen zur Führungsberechtigung enthalten. Durch die Veröffentlichung der Wappeneintragung soll eine realistische Möglichkeit eröffnet werden, später in Archiven und Bibliotheken einen zuverlässigen Nachweis über die Führungsberechtigung zu finden.
  5. Ausschließlichkeitsgrundsatz: Niemand darf ein Wappen annehmen und führen, das bereits geführt wird oder geführt wurde oder einem existierenden Wappen zum Verwechseln ähnelt.
  6. Nicht jedem Familiennamen entspricht irgendwo in der Welt ein bestimmtes vorhandenes Familienwappen.
  7. Die Gleichheit des Familiennamens berechtigt nicht automatisch zur Führung des Wappens einer anderen Familie mit gleichem Namen.
    => Namensgleichheit bedeutet nicht Wappengleichheit.
  8. Die Führungsberechtigung an einem Familienwappen muss jederzeit und lückenlos nachgewiesen werden können.
  9. Namensstamm: Hier sind neben dem Wappenstifter / der Wappenstifterin alle ihre männlichen und weiblichen Abkömmlingen im Namensstamm führungsberechtigt, solange und soweit sie noch den Familiennamen des Wappenstifters / der Wappenstifterin selber aktiv als Familiennamen (auch als Teil eines Doppelnamens) führen.
    Zur Abgrenzung Mannesstamm <-> Namensstamm: siehe unten.
  10. Namensstamm - Wichtige Details:

    Das Familienwappen, der Familienname und die genealogische Abstammungsgemeinschaft gehören immer zusammen, wenn das Wappen innerhalb der Familie von einem zur Weitergabe berechtigten (also selber aktiv den Familiennamen des Wappenstifters führenden) Elternteil erhalten, geführt und an eigene Abkömmlinge weitergegeben werden will.

    (a) Der Familienname des Wappenstifters bzw. Wappenerstannehmenden (= Wappenname, Familienname der wappenführenden Familie) ist aktiv als Familienname zu führen, wenn das Familienwappen erhalten und weitergegeben werden will. Die Schaffung eines Doppelnamens ist nicht schädlich, sofern der Wappenname ein Namensbestandteil bleibt.
    Begriffserklärung: Der Familienname ist der Nachname, der sich als Folge der Abstammung von den Eltern auf die Kinder überträgt.

    (b)  Ein Familienwappen kann beim Namensstamm niemals - auch nicht über eine genealogische Abstammung - zur Weitergabe auf eine Familie mit einem völlig anderen Familiennamen übertragen werden, ohne dass dies im Wappen selber durch eine deutliche Änderung sichtbar wird. In letzter Konsequenz bedeutet dies für die Betroffenen die Annahme eines neuen Familienwappens.

    (c)  Für die Führungsberechtigung des Ehepartners wird allgemein das Bestehen (und Fortbestehen) einer ehelichen Verbindung sowie das Führen des Familiennamens des Wappenstifters verlangt.

    (d)  Voraussetzung für eine berechtigte Weitergabe des Familienwappens ist 1) die genealogische Abkömmlingsschaft vom Wappenstifter und  2) die aktive Weiterführung des Wappennamens (= Familienname des Wappenstifters = Name der wappenführenden Familie).

    Die "
    Erheiratung" eines Wappens mit dem Familiennamen und seine Übertragung auf die eigenen Abkömmlinge ohne einen genealogischen Zusammenhang mit dem Wappenstifter ist  - bis auf den Fall der gesetzlich geregelten Adoption - nicht möglich. Daher kann ein Ehepartner niemals das Familienwappen seines Ehegatten an spätere Abkömmlinge mit einem anderen (neuen) Lebenspartner weitergeben.  
  11. Ein Wappenstifter kann neben sich und allen seinen genealogischen Abkömmlingen weitere Familienangehörige wie Eltern, Geschwister etc. in den Kreis der Führungsberechtigten mit einbeziehen. Hierzu kann der Wappenstifter die Führungsberechtigung auf die genealogischen Abkömmlinge eines gemeinsamen Vorfahren (= Stammahn) auszudehnen.
    Erforderlich ist grundsätzlich, dass alle Führungsberechtigten aktiv den Familiennamen der wappenführenden Familie tragen.
  12. Eine Vergabe der Führungsberechtigung über den Familienkreis hinaus ist dem Stifter (= Erstannehmender) eines Familienwappens nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich (vgl. Handbuch der Heraldik – Wappenfibel).
     
    Eine Ausdehnung der Führungsberechtigung auf Träger eines anderen Familiennamens oder überhaupt auf völlig fremde Familien würde die Eigenschaft des Familienwappens als Kennzeichen einer bestimmten, durch ihren Familiennamen und die genealogische Abstammungsgemeinschaft abgegrenzten Familie in Frage stellen.
  13. Ein Familienwappen ist das gemeinsame generationsübergreifende Symbol einer bestimmten und auch namensmäßig festgelegten Familie. Ist die Führungsberechtigung durch den Wappenannehmenden einmal verbindlich festgelegt, so darf diese später nicht weiter eingeschränkt oder ausgedehnt werden. Dies gilt auch für den Wappenstifter selber, da seine Nachkommen bereits ab dem Stiftungsakt eigene "Rechte an dem Familienwappen" haben. Sollten jedoch alle (lebenden) Führungsberechtigten einer Änderung des bestehenden Wappens oder der Führungsberechtigung zustimmen, so ist hiergegen nichts einzuwenden.
  14. Das "Recht an einem Familienwappen" (Berechtigung zur Führung und zur Weitergabe an die eigenen Abkömmlinge) überträgt sich ebenso wie der rechtsähnliche Familienname als Folge der Abstammung bereits bei Geburt auf die Abkömmlinge (vgl. § 1616 BGB), nicht aber wie ein Vermögenswert durch einen späteren Erbgang im Todesfall der Eltern.

    Das "Recht an einem Familienwappen" als ein auf dem Gewohnheitsrecht beruhendes absolutes (d.h. gegenüber jedermann wirkendes) Recht überträgt sich bereits bei der Geburt an die Abkömmlinge. Es wird grundsätzlich nicht wie ein Vermögensrecht "vererbt". Daher kann dieses Recht an einem Familienwappen nicht wie ein Vermögenswert durch eine "letztwillige Verfügung" auf den Todesfall - egal aus welchem Grund - oder gar durch eine Veräußerung auf beliebige Personen übertragen werden.

    Auch besteht keine Verfügungsbefugnis, die Berechtigung der eigenen Abkömmlinge an einem bereits bestehenden Familienwappen einzuschränken.

    Konkret: Das Recht an einem Familienwappen ist (ebenso wie der Familienname) ein absolutes persönliches und damit unvererbliches Recht (Dr. Helmut Töteberg, Kleeblatt-Jahrbuch 1963). Es überträgt sich grundsätzlich als Folge der Abstammung bei Geburt.
  15. Das Wappen einer ausgestorbenen Familie darf von keiner Person unverändert übernommen werden. Eine Familie mag aussterben - ihr Familienwappen bleibt als besonderes Kennzeichen genau dieser Familie mit ihrem Familiennamen (=Wappenname) weiterhin bestehen.

    Keine Wappenrolle hat heute in Deutschland die Berechtigung, ein solches Wappen für eine andere Familie mit gleichem oder abweichendem Familiennamen einzutragen.


Gemäß den Ausführungen sind bestimmte Personen an einem Familienwappen führungsberechtigt und andere Personen eindeutig nicht. Diese Klarheit ist in der Heraldik ausdrücklich erwünscht, da später nicht eine Vielzahl von Menschen dasselbe Familienwappen führen soll, ohne dass ein verwandtschaftlicher Zusammenhang erkennbar ist.
 

Quellen:

  • Müller-Bruns, Dieter: Überlegungen zu Grundzügen des sog. Wappenrechts, in HEROLD-Studien Band 9: Wappen heute – Zukunft der Heraldik? Eine Historische Hilfswissenschaft zwischen Kunst und Wissenschaft, S. 33 ff., 2014

     
  • Müller-Bruns, Dieter: Auszüge aus Beiträgen in der heraldischen Fachzeitschrift KLEEBLATT seit 1994, aus Vorträgen bei der Kleeblatt-Vortragsreihe HERALDIK PUR sowie bei den HEROLD-Seminarwochen über Grundlagen der Heraldik.

 

 

Bei der Stiftung eines Familienwappens ist grundsätzlich die Beiziehung eines erfahrenen Heraldikers anzuraten, was Auseinandersetzungen und unnötige Kosten vermeidet. Aber selbst für erfahrene Heraldiker stellt es häufig eine Gratwanderung dar, die strengen Regeln der Heraldik mit den Wünschen ihrer Kunden zu vereinbaren. Beratende Heraldiker sollten daher tunlichst darauf achten, dass sich die potentiellen Wappenstifter bzw. Wappenstifterinnen selbst eingehend mit den Regeln des Wappenwesens beschäftigen.

Das Führen einer Wappenrolle ist in Deutschland keine offizielle staatliche Tätigkeit. Die ehrenamtliche Pflege der Familienheraldik wird heute insbesondere durch anerkannte heraldische Vereine wahrgenommen. In deren Wappenrollen werden systematisch oder auf Antrag überlieferte und neu angenommene Wappen eingetragen. Die Aufsicht obliegt den Wappenausschüssen. Die Prüfung und Registrierung erfolgt nach gewohnheitsrechtlichen und wissenschaftlichen Grundsätzen – ohne staatliche Gesetzgebung, mit selbstgestalteten Regelungen.

Das Wappen wurde schon früh auch zum Sinnbild von Familien sowie von verschiedenen Gemeinschaften und Institutionen des bürgerlichen Lebens und hat als solches in den letzten Jahrhunderten in weiten Gebieten der Welt Fuß gefasst. In vielen Ländern – wie auch in Deutschland – werden noch heute zahlreiche Wappen neu angenommen, die einer Familie bildhafte Identität geben und das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärken können.

 

Das »Recht an einem Familienwappen« (Führungsberechtigung)

Wie oben ausgeführt, ist für den verbreiteten Wunsch nach Orientierung im sogenannten Wappenrechts das Fehlen staatlicher Regelungen für den Bereich der bürgerlichen Heraldik ursächlich. Andererseits tragen aber auch die unzähligen verschiedenen Institutionen und Interessengruppen selber mit ihren über viele Jahre geprägten individuellen Auffassungen nicht unerheblich zu dem bestehenden Wirrwarr bei.

Daher wird durch den »Unabhängigen Arbeitskreis ehrenamtlicher Heraldiker« in seiner umfangreichen Darstellung des sogenannten Wappenrechts ausführlich auf den Bereich »Führungsberechtigung« eingegangen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die folgenden Erläuterungen im Kontext mit zahlreichen anderen wappenrechtlichen Grundsätzen stehen (siehe hierzu: http://www.wappenkunde-niedersachsen.de).

 

Führungsberechtigung

Bei der Frage der Führungsberechtigung von Wappen ist aus Gründen der Abgrenzung immer zu beachten, dass später nicht irgendwann eine Vielzahl von Menschen ein und dasselbe Wappen führt, ohne dass ein verwandtschaftlicher Zusammenhang erkennbar ist.
 

1. Führungsberechtigung: Mannesstamm

Nach einer von konservativen Heraldikern auch heute noch vertretenen Auffassung steht die Berechtigung zur Führung eines Familienwappens allein dem Wappenstifter und seinen ehelichen Nachkommen im Mannesstamm zu, soweit und solange sie den Familiennamen des Wappenstifters tragen. Es wird dabei auf die jahrhundertelange Praxis einer rein agnatischen Weitergabe verwiesen.

Hierbei wird der Kreis der Familienmitglieder, die das Familienwappen führen dürfen, auf diejenigen beschränkt, die ihren Familiennamen über den Vater erworben haben (Mannesstamm). Damit können nur alle Söhne die väterliche Wappenführung an die eigenen Abkömmlinge weitergeben. Denjenigen Abkömmlingen, die den eigenen Familiennamen über die Mutter erworben haben, wird die Wappenführung verwehrt, obwohl auch sie Ankömmlinge des Wappenstifters sind und denselben Familiennamen tragen. Zudem werden nach dieser Auffassung regelmäßig nur die ehelichen Abkömmlinge im Mannesstamm als führungsberechtigt anerkannt.

Die Verfechter einer Weitergabe nur im Mannesstamm auch in heutiger Zeit argumentieren, dass diese Handhabung weder durch den Grundsatz der Gleichbehandlung (auch nicht unter dem Aspekt mittelbarer Drittwirkung von Grundrechten) und ebenso nicht durch staatliche Gesetzgebung einer Änderung bedürfe. Auch ein grundlegender gesellschaftlicher Wertewandel wird hierfür nicht gesehen bzw. akzeptiert. - Diese konservative Handhabung der Führungsberechtigung im Mannesstamm führte in den letzten Jahrzehnten zu großen Akzeptanzproblemen gegenüber dem gesamten bürgerlichen Wappenwesen (Müller-Bruns, HEROLD-Seminar 2009).
 

2. Führungsberechtigung: Namensstamm

Die gewohnheitsrechtlich geprägten wappenrechtlichen Grundsätze stellen strenge Regeln auf. Als Gewohnheitsrecht lebt das sog. Wappenrecht jedoch durch die Handhabung der Betroffenen und Verantwortlichen. Es entzieht sich damit grundsätzlich nicht einem bedeutenden gesellschaftlichen Wertewandel. Bei dem noch in den letzten Jahrzehnten stark vertretenen, aber immer mehr als befremdlich angesehenen konservativen Mannesstamm wird der Begriff "Familie" jedoch auf die männlichen Familienmitglieder reduziert, indem nur die Söhne die väterliche Wappenführung zusammen mit dem Familiennamen an die eigenen Abkömmlinge weitergeben können.

Einer derartigen Auffassung konnte Ende des 20. Jahrhunderts weder gesellschaftlich noch rechtlich unwidersprochen weiter gefolgt werden. Deshalb wurde bereits viele Jahre über eine Neuordnung der Führungsberechtigung heftig diskutiert. Es bedurfte unter Beachtung von Sinn und Zweck der gewohnheitsrechtlich ausgeprägten wappenrechtlichen Grundsätze einer wohlüberlegten Modifikation der als überkommen angesehenen Regelungen. Ziel konnte dabei nur die - rechtlich vorgegebene - Gleichstellung von Mann und Frau sein. Die Familienidentität kann - zusammen mit dem Familiennamen - durchaus in männlicher und in weiblicher Linie weitergegeben werden.

Hierbei hat sich folgender Namensstamm herausgebildet (Müller-Bruns, Dieter, Kleeblatt - Zeitschrift für Heraldik und verwandte Wissenschaften 4/2005):

Die Führungsberechtigung an einem Wappen
steht grundsätzlich dem Wappenstifter / der Wappenstifterin
und seinen / ihren männlichen und weiblichen Abkömmlingen (rechtl. Gleichstellung: Adoption) zu,  
solange und soweit sie noch den Familiennamen des Wappenstifters / der Wappenstifterin, auch als Teil eines Doppelnamens, führen.

Diese in Deutschland zwischenzeitlich allgemein akzeptierte Formulierung – so besonders in den heraldischen Fachvereinen »Zum Kleeblatt« (Hannover), »Herold« (Berlin) und »Der Wappen-Löwe« (München) – bedeutet für den Wappenstifter die Festlegung der Berechtigung der Wappenführung für sich und alle seine – also ausdrücklich auch die weiblichen – Nachkommen, soweit und solange sie noch aktiv seinen Familiennamen als eigenen Familiennamen führen. Von vielen Heraldikern wird dies als eine „Liberalisierung“ der Führungsberechtigung angesehen.

Es wird neben der Beibehaltung des Familiennamens nun die Abkömmlingsschaft von Mann oder Frau vom Wappenstifter zur Voraussetzung gemacht. Damit gilt eine eingeschränkte Verknüpfung des Familienwappens mit dem Familiennamen = Namensstamm mit genealogischer Abkömmlingsschaft (bzw. Adoption). Durch das Doppelerfordernis der Abkömmlingsschaft von einem Wappenstifter und der Fortführung des Familiennamens soll der (Familien-)Zusammenhalt der Wappenberechtigten gewahrt bleiben. Dies entspricht dem Grundgedanken der Heraldik.

Der Wappenstifter kann die Berechtigung zur Führung des Wappens allen seinen – also auch den weiblichen – Nachkommen freistellen, soweit (!) und solange (!) sie noch den Familiennamen führen. Wichtig: Der Familienname des Wappenstifters muss geführt werden, wenn das Familienwappen geführt werden will. Die spätere Schaffung eines Doppelnamens ist dabei nicht schädlich, sofern der Familienname des Wappenstifters in dem Doppelnamen beibehalten wird.

Eine Neuordnung der Führungsberechtigung bei Familienwappen darf jedoch nicht zu einem Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung führen. Der Namensstamm ist daher immer konsequent anzuwenden. Durch die beiden Voraussetzungen der genealogischen Abkömmlingsschaft vom Wappenstifter (sowie wohl auch der gesetzlich vorgesehenen Adoption) und der Koppelung des Familienwappens mit dem Familiennamen bleibt der Familienzusammenhalt der Führungsberechtigten gewahrt (Müller-Bruns, Dieter: Herold-Seminar 2009 und 2011, HERALDIK PUR 2013 - Tag der Wappenkunde).

Das Wappen einer Familie kann danach niemals - auch nicht über eine genealogische Abstammung - zur Weitergabe auf einen anderen Familiennamen übertragen werden, ohne dass dies im Wappen selber durch eine deutliche Änderung sichtbar wird. In letzter Konsequenz bedeutet dies für die Betroffenen die Annahme eines neuen (gegebenenfalls abgewandelten) Familienwappens.

Daher sind seltene Ausnahmen von der Regel immer exakt zu begründet und kenntlich zu machen. Sie sind allenfalls als persönliche Wappen für einzelne Personen mit einem erweiterten familiären Hintergrund auf Lebenszeit möglich.

In heraldischen Fachkreisen wird diskutiert, ob der Namensstamm nur bei neu gestifteten Familienwappen oder auch bei älteren Wappen Anwendung finden kann bzw. vielleicht sogar Anwendung finden muss. Die führungsberechtigten (lebenden) Mitglieder einer Familie können jedenfalls immer selber gemeinsam eine Führungsberechtigung des Familienwappens nach den Regeln des Namensstammes beschließen. In der Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, dass jedoch keiner der Wappenführungsberechtigten allein ohne Mitwirkung der übrigen jeweils lebenden Wappengenossen über die Führungsberechtigung oder sonst über das "Recht am Wappen" verfügen kann (vgl. Wappenfibel - Handbuch der Heraldik 1998, S. 147, wo von einer Art „Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand“ ausgegangen wird).

 

3. Führungsberechtigung – Fazit:

Auch bei der Regelung der Führungsberechtigung sollte stets beachtet werden:

»Das Wappenwesen entstand als eine Erscheinung der mittelalterlichen Sitte und Mode und entwickelte sich. Insofern reagierten die Regelungen des Wappenrechts in der Vergangenheit ebenso auf veränderte gesellschaftliche Gegebenheiten, wie sie es auch heute tun. Die Fortentwicklung dieser Regelungen mit dem Ziel, ihren historisch gewachsenen Sinn zu erhalten und dem Wappenwesen als Kulturgut in der Öffentlichkeit weiterhin Geltung zu verschaffen, sollte Ziel der gemeinnützigen Tätigkeit der heraldischen Vereine sein.«
(Quelle: Müller-Bruns, Dieter: Überlegungen zu Grundzügen des Wappenrechts, HEROLD-Studien – Band 9)

Die anerkannten Wappenrollen in Deutschland werden jedoch nicht jeden Wunsch und jede Formulierung bei der Registrierung akzeptieren. Es besteht kein Anspruch auf die Eintragung eines Familienwappens in einer bestimmten Wappenrolle.

 

4. Die Bedeutung des Familiennamens für die Führungsberechtigung

Der Wappenstifter verbindet bei der Wappenstiftung die Führungsberechtigung immer mit der aktiven Fortführung seines Familiennamens

»Führungsberechtigt sind neben dem Wappenstifter alle seine Abkömmlinge im Namensstamm, soweit und solange sie noch den Familiennamen des Wappenstifters als eigenen Familiennamen (auch als Teil eines Doppelnamens) führen.«

Gemäß dem festgeschriebenen Willen des Wappenstifters gilt daher bei der Wahl eines neuen Familiennamens: Familienname weg = Familienwappen weg.

Beim Namensstamm ist diese Regel zwingend.

Betroffene, die nach einer Heirat durch eigene Bestimmung den elterlichen Familiennamen nicht mehr führen, haben für sich und die elterliche Familie auch kein Stiftungs- und Gestaltungsrecht mehr hinsichtlich eines dortigen Familienwappens. Der Namensstamm wurde unterbrochen.

Die Wappenrollen sind bei der Registrierung eines Familienwappens an die durch den Wappenstifter - im Rahmen der anerkannt geltenden Regeln - festgelegte Führungsberechtigung gebunden.

Beachte: In manchen Familien wird auch nach der Wahl eines anderen Familiennamens bei Heirat (also keine aktive Weiterführung des elterlichen Familiennamens bzw. des Geburtsnamens) eine eingeschränkte Weiterführung des elterlichen Familienwappens durch die Betroffenen geduldet. Eine solche Duldung wird gemäß den wappenrechtlichen Grundsätzen allenfalls eingeschränkt akzeptiert. Sie hat sich unmissverständlich allein auf eine Führung als rein persönliches Wappen zu Lebzeiten und damit ohne ein eigenes Recht zur Weitergabe zu beziehen. Diese Betroffenen können das Familienwappen niemals an den Ehepartner und die eigenen Abkömmlinge weitergeben. Der Namensstamm wurde unterbrochen.

 

5. Literaturhinweise

 

Quelle: Müller-Bruns, Dieter, www.wappenkunde-niedersachsen.de
Stand: 24. Juni 2019