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Die im Bereich der Historischen Hilfswissenschaften ehrenamtlich tätigen Juristen in den anerkannten heraldischen Vereinen haben immer darauf hingewiesen, dass es eine rechtliche Seite der Heraldik gibt. Der mahnende Hinweis der Juristen ist wohl notwendig, da besonders die andauernde Diskussion über die Führungsberechtigung eines Familienwappens oftmals chaotisch wirkt. Für den verbreiteten Wunsch nach Orientierung im Bereich des sogenannten Wappenrechts ist vorrangig das Fehlen staatlicher Regelungen für den Bereich der bürgerlichen Heraldik ursächlich. Eine ausführliche Darstellungen des sogenannten Wappenrechts findet sich seit vielen Jahren auf der Homepage des »Unabhängigen Arbeitskreises ehrenamtlicher Heraldiker«: http://www.wappenkunde-niedersachsen.de. Mehrere der dort genannten Heraldiker sind zugleich Mitglieder in der heraldischen Gesellschaft »Der Wappen-Löwe«, München. Einige der dort sehr ausführlich erläuterten Hinweise zum sogenannten Wappenrecht sollen auch hier dargestellt werden: |
Grundinformationen zum sogenannten Wappenrecht bei Familienwappen
Quellen:
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Bei der Stiftung eines Familienwappens ist grundsätzlich die Beiziehung eines erfahrenen Heraldikers anzuraten, was Auseinandersetzungen und unnötige Kosten vermeidet. Aber selbst für erfahrene Heraldiker stellt es häufig eine Gratwanderung dar, die strengen Regeln der Heraldik mit den Wünschen ihrer Kunden zu vereinbaren. Beratende Heraldiker sollten daher tunlichst darauf achten, dass sich die potentiellen Wappenstifter bzw. Wappenstifterinnen selbst eingehend mit den Regeln des Wappenwesens beschäftigen.
Das Führen einer Wappenrolle ist in Deutschland keine offizielle staatliche Tätigkeit. Die ehrenamtliche Pflege der Familienheraldik wird heute insbesondere durch anerkannte heraldische Vereine wahrgenommen. In deren Wappenrollen werden systematisch oder auf Antrag überlieferte und neu angenommene Wappen eingetragen. Die Aufsicht obliegt den Wappenausschüssen. Die Prüfung und Registrierung erfolgt nach gewohnheitsrechtlichen und wissenschaftlichen Grundsätzen – ohne staatliche Gesetzgebung, mit selbstgestalteten Regelungen.
Das Wappen wurde schon früh auch zum Sinnbild von Familien sowie von verschiedenen Gemeinschaften und Institutionen des bürgerlichen Lebens und hat als solches in den letzten Jahrhunderten in weiten Gebieten der Welt Fuß gefasst. In vielen Ländern – wie auch in Deutschland – werden noch heute zahlreiche Wappen neu angenommen, die einer Familie bildhafte Identität geben und das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärken können.
Das »Recht an einem Familienwappen« (Führungsberechtigung)
Wie oben ausgeführt, ist für den verbreiteten Wunsch nach Orientierung im sogenannten Wappenrechts das Fehlen staatlicher Regelungen für den Bereich der bürgerlichen Heraldik ursächlich. Andererseits tragen aber auch die unzähligen verschiedenen Institutionen und Interessengruppen selber mit ihren über viele Jahre geprägten individuellen Auffassungen nicht unerheblich zu dem bestehenden Wirrwarr bei.
Daher wird durch den »Unabhängigen Arbeitskreis ehrenamtlicher
Heraldiker« in seiner umfangreichen Darstellung des sogenannten
Wappenrechts ausführlich auf den Bereich »Führungsberechtigung«
eingegangen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die folgenden Erläuterungen
im Kontext mit zahlreichen anderen wappenrechtlichen Grundsätzen stehen
(siehe hierzu:
http://www.wappenkunde-niedersachsen.de).
Führungsberechtigung
Bei der Frage der
Führungsberechtigung von Wappen ist aus Gründen der Abgrenzung immer zu
beachten, dass später nicht irgendwann eine Vielzahl von Menschen ein
und dasselbe Wappen führt, ohne dass ein verwandtschaftlicher
Zusammenhang erkennbar ist.
1. Führungsberechtigung: Mannesstamm
Nach einer von konservativen Heraldikern auch heute noch vertretenen Auffassung steht die Berechtigung zur Führung eines Familienwappens allein dem Wappenstifter und seinen ehelichen Nachkommen im Mannesstamm zu, soweit und solange sie den Familiennamen des Wappenstifters tragen. Es wird dabei auf die jahrhundertelange Praxis einer rein agnatischen Weitergabe verwiesen.
Hierbei wird der Kreis der Familienmitglieder, die das Familienwappen führen dürfen, auf diejenigen beschränkt, die ihren Familiennamen über den Vater erworben haben (Mannesstamm). Damit können nur alle Söhne die väterliche Wappenführung an die eigenen Abkömmlinge weitergeben. Denjenigen Abkömmlingen, die den eigenen Familiennamen über die Mutter erworben haben, wird die Wappenführung verwehrt, obwohl auch sie Ankömmlinge des Wappenstifters sind und denselben Familiennamen tragen. Zudem werden nach dieser Auffassung regelmäßig nur die ehelichen Abkömmlinge im Mannesstamm als führungsberechtigt anerkannt.
Die Verfechter einer
Weitergabe nur im Mannesstamm auch in heutiger Zeit argumentieren, dass
diese Handhabung weder durch den Grundsatz der Gleichbehandlung (auch
nicht unter dem Aspekt mittelbarer Drittwirkung von Grundrechten) und
ebenso nicht durch staatliche Gesetzgebung einer Änderung bedürfe. Auch
ein grundlegender gesellschaftlicher Wertewandel wird hierfür nicht
gesehen bzw. akzeptiert. - Diese konservative Handhabung der
Führungsberechtigung im Mannesstamm führte in den letzten Jahrzehnten zu
großen Akzeptanzproblemen gegenüber dem gesamten bürgerlichen
Wappenwesen (Müller-Bruns, HEROLD-Seminar 2009).
2. Führungsberechtigung: Namensstamm
Die gewohnheitsrechtlich geprägten wappenrechtlichen Grundsätze stellen strenge Regeln auf. Als Gewohnheitsrecht lebt das sog. Wappenrecht jedoch durch die Handhabung der Betroffenen und Verantwortlichen. Es entzieht sich damit grundsätzlich nicht einem bedeutenden gesellschaftlichen Wertewandel. Bei dem noch in den letzten Jahrzehnten stark vertretenen, aber immer mehr als befremdlich angesehenen konservativen Mannesstamm wird der Begriff "Familie" jedoch auf die männlichen Familienmitglieder reduziert, indem nur die Söhne die väterliche Wappenführung zusammen mit dem Familiennamen an die eigenen Abkömmlinge weitergeben können.
Einer derartigen Auffassung konnte Ende des 20. Jahrhunderts weder gesellschaftlich noch rechtlich unwidersprochen weiter gefolgt werden. Deshalb wurde bereits viele Jahre über eine Neuordnung der Führungsberechtigung heftig diskutiert. Es bedurfte unter Beachtung von Sinn und Zweck der gewohnheitsrechtlich ausgeprägten wappenrechtlichen Grundsätze einer wohlüberlegten Modifikation der als überkommen angesehenen Regelungen. Ziel konnte dabei nur die - rechtlich vorgegebene - Gleichstellung von Mann und Frau sein. Die Familienidentität kann - zusammen mit dem Familiennamen - durchaus in männlicher und in weiblicher Linie weitergegeben werden.
Hierbei hat sich folgender Namensstamm herausgebildet (Müller-Bruns, Dieter, Kleeblatt - Zeitschrift für Heraldik und verwandte Wissenschaften 4/2005):
Die
Führungsberechtigung an einem Wappen
steht grundsätzlich dem Wappenstifter / der Wappenstifterin
und seinen / ihren männlichen und weiblichen
Abkömmlingen (rechtl.
Gleichstellung: Adoption) zu, solange
und soweit sie noch den
Familiennamen des Wappenstifters / der
Wappenstifterin, auch als Teil
eines Doppelnamens, führen.
Diese in Deutschland zwischenzeitlich allgemein akzeptierte Formulierung – so besonders in den heraldischen Fachvereinen »Zum Kleeblatt« (Hannover), »Herold« (Berlin) und »Der Wappen-Löwe« (München) – bedeutet für den Wappenstifter die Festlegung der Berechtigung der Wappenführung für sich und alle seine – also ausdrücklich auch die weiblichen – Nachkommen, soweit und solange sie noch aktiv seinen Familiennamen als eigenen Familiennamen führen. Von vielen Heraldikern wird dies als eine „Liberalisierung“ der Führungsberechtigung angesehen.
Es wird neben der Beibehaltung des Familiennamens nun die Abkömmlingsschaft von Mann oder Frau vom Wappenstifter zur Voraussetzung gemacht. Damit gilt eine eingeschränkte Verknüpfung des Familienwappens mit dem Familiennamen = Namensstamm mit genealogischer Abkömmlingsschaft (bzw. Adoption). Durch das Doppelerfordernis der Abkömmlingsschaft von einem Wappenstifter und der Fortführung des Familiennamens soll der (Familien-)Zusammenhalt der Wappenberechtigten gewahrt bleiben. Dies entspricht dem Grundgedanken der Heraldik.
Der Wappenstifter kann die Berechtigung zur Führung des Wappens allen seinen – also auch den weiblichen – Nachkommen freistellen, soweit (!) und solange (!) sie noch den Familiennamen führen. Wichtig: Der Familienname des Wappenstifters muss geführt werden, wenn das Familienwappen geführt werden will. Die spätere Schaffung eines Doppelnamens ist dabei nicht schädlich, sofern der Familienname des Wappenstifters in dem Doppelnamen beibehalten wird.
Eine Neuordnung der Führungsberechtigung bei Familienwappen darf jedoch nicht zu einem Zustand vollständiger Unordnung oder Verwirrung führen. Der Namensstamm ist daher immer konsequent anzuwenden. Durch die beiden Voraussetzungen der genealogischen Abkömmlingsschaft vom Wappenstifter (sowie wohl auch der gesetzlich vorgesehenen Adoption) und der Koppelung des Familienwappens mit dem Familiennamen bleibt der Familienzusammenhalt der Führungsberechtigten gewahrt (Müller-Bruns, Dieter: Herold-Seminar 2009 und 2011, HERALDIK PUR 2013 - Tag der Wappenkunde).
Das Wappen einer Familie kann danach niemals - auch nicht über eine genealogische Abstammung - zur Weitergabe auf einen anderen Familiennamen übertragen werden, ohne dass dies im Wappen selber durch eine deutliche Änderung sichtbar wird. In letzter Konsequenz bedeutet dies für die Betroffenen die Annahme eines neuen (gegebenenfalls abgewandelten) Familienwappens.
Daher sind seltene Ausnahmen von der Regel immer exakt zu begründet und kenntlich zu machen. Sie sind allenfalls als persönliche Wappen für einzelne Personen mit einem erweiterten familiären Hintergrund auf Lebenszeit möglich.
In heraldischen Fachkreisen wird diskutiert, ob der Namensstamm nur bei neu gestifteten Familienwappen oder auch bei älteren Wappen Anwendung finden kann bzw. vielleicht sogar Anwendung finden muss. Die führungsberechtigten (lebenden) Mitglieder einer Familie können jedenfalls immer selber gemeinsam eine Führungsberechtigung des Familienwappens nach den Regeln des Namensstammes beschließen. In der Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, dass jedoch keiner der Wappenführungsberechtigten allein ohne Mitwirkung der übrigen jeweils lebenden Wappengenossen über die Führungsberechtigung oder sonst über das "Recht am Wappen" verfügen kann (vgl. Wappenfibel - Handbuch der Heraldik 1998, S. 147, wo von einer Art „Rechtsgemeinschaft zur gesamten Hand“ ausgegangen wird).
3. Führungsberechtigung – Fazit:
Auch bei der Regelung der Führungsberechtigung sollte stets beachtet werden:
»Das Wappenwesen entstand als eine Erscheinung der mittelalterlichen
Sitte und Mode und entwickelte sich. Insofern reagierten die Regelungen
des Wappenrechts in der Vergangenheit ebenso auf veränderte
gesellschaftliche Gegebenheiten, wie sie es auch heute tun. Die
Fortentwicklung dieser Regelungen mit dem Ziel, ihren historisch
gewachsenen Sinn zu erhalten und dem Wappenwesen als Kulturgut in der
Öffentlichkeit weiterhin Geltung zu verschaffen, sollte Ziel der
gemeinnützigen Tätigkeit der heraldischen Vereine sein.«
(Quelle: Müller-Bruns, Dieter:
Überlegungen zu Grundzügen des Wappenrechts, HEROLD-Studien – Band 9)
Die anerkannten
Wappenrollen in Deutschland werden jedoch nicht jeden Wunsch und jede
Formulierung bei der Registrierung akzeptieren. Es besteht kein Anspruch
auf die Eintragung eines Familienwappens in einer bestimmten
Wappenrolle.
4. Die Bedeutung des Familiennamens für die Führungsberechtigung
Der Wappenstifter verbindet bei der Wappenstiftung die Führungsberechtigung immer mit der aktiven Fortführung seines Familiennamens:
»Führungsberechtigt sind neben dem Wappenstifter alle seine Abkömmlinge im Namensstamm, soweit und solange sie noch den Familiennamen des Wappenstifters als eigenen Familiennamen (auch als Teil eines Doppelnamens) führen.«
Gemäß dem festgeschriebenen Willen des Wappenstifters gilt daher bei der Wahl eines neuen Familiennamens: Familienname weg = Familienwappen weg.
Beim Namensstamm ist diese Regel zwingend.
Betroffene, die nach einer Heirat durch eigene Bestimmung den elterlichen Familiennamen nicht mehr führen, haben für sich und die elterliche Familie auch kein Stiftungs- und Gestaltungsrecht mehr hinsichtlich eines dortigen Familienwappens. Der Namensstamm wurde unterbrochen.
Die Wappenrollen sind bei der Registrierung eines Familienwappens an die durch den Wappenstifter - im Rahmen der anerkannt geltenden Regeln - festgelegte Führungsberechtigung gebunden.
Beachte: In manchen
Familien wird auch nach der Wahl eines anderen Familiennamens bei Heirat
(also keine aktive Weiterführung des elterlichen Familiennamens bzw. des
Geburtsnamens) eine eingeschränkte Weiterführung des elterlichen
Familienwappens durch die Betroffenen geduldet. Eine solche
Duldung wird gemäß den wappenrechtlichen Grundsätzen allenfalls
eingeschränkt akzeptiert. Sie hat sich unmissverständlich allein auf
eine Führung als rein persönliches Wappen zu Lebzeiten und damit
ohne ein eigenes Recht zur Weitergabe zu beziehen. Diese Betroffenen
können das Familienwappen niemals an den Ehepartner und die eigenen
Abkömmlinge weitergeben. Der Namensstamm wurde unterbrochen.
5. Literaturhinweise
Quelle: Müller-Bruns, Dieter,
www.wappenkunde-niedersachsen.de
Stand: 24. Juni 2019